Als die Züchterin Millie aus ihrem Zwinger geholt hat, war das Tier ohne Übertreibung ca. 20 cm hoch. Sie machte sich so flach wie eine Flunder und hoffte, dass wir sie dort unten 3 cm über dem Boden nicht sehen würden. Die Rute war fest an den Bauch gedrückt und ihr einziger Gedanke galt einem möglichen Fluchtweg aus dieser Situation. Solche Angst hatte sie vor uns Beiden, als sie uns das erste Mal sah.
Ich muß gestehen, hätte Millie nicht die tolle dunkle fuchsrote Fellfarbe gehabt, die sie nun mal hat, dann hätte ich es mir 5 Mal überlegt, so einen ängstlichen Hund zu kaufen. Aber wie heißt es so schön, "der erste Hund ist der Schicksalshund".
Nach ca. 2 Stunden auf dem Feld bzw. Acker war Millie zusehends entspannter uns beiden gegenüber - jedoch war sie Christian gegenüber doch noch sehr skeptisch, weil er nicht nur viel größer ist als ich, sondern auch eine tiefere Stimme hat.
Aber kein Wunder - Millie hatte in ihrem bisherigen Leben ungefähr so viele Menschen gesehen wie ich fuchsrote Labradors. Nicht. sehr. oft. Und was will man da schon anderes erwarten!
Nach den ersten Tagen bei uns wussten wir Folgendes:
- Millie hat Angst vor Menschen
- ...auch noch vor meinem Freund
- ...vor Treppen (die gab es im Zwinger natürlich nicht)
- ...vor Hunden, die keine Labradors sind (die gab es im Labrador-Zwinger nämlich auch nicht)
- ...vor Tennisschlägern
- ...vor vielbefahrenen Straßen, wo es hektisch zugeht (sie wuchs am Land auf)
- ...vor unserem Garten
- ...vor den neuen Möbeln, die ca. 10 Tage nach ihrem Einzug bei uns geliefert wurden
- ...vor unseren Nachbarn, die sie durch die Hecke zwar nicht sieht, aber hört
- ...vor hektischen Bewegungen (seit Millie da ist, renne ich nicht mehr zum Telefon, ich schleiche!)
- ...vor Kindern jeden Alters, egal wie weit sie entfernt sind
Das klingt jetzt natürlich brutal. Es gibt aber auch Dinge, vor denen sie KEINE Angst hat:
- Futter
- Leckerlis (sie kennt sie zwar nicht, weil sie nie welche bekommen hat, aber sie hat ganz schnell kapiert, dass die nix tun sondern sogar ganz super sind!)
- Wasser aus der Wasserschüssel
- Wasser, wo man hineinspringen und ein paar Längen schwimmen kann
- Wälder ohne Menschen
- Wiesen ohne Menschen
- Socken, die sie uns klauen und heimlich zerkauen kann
- Spielzeug (sie weiß zwar nicht, was sie damit anfangen soll, aber Angst hat sie zumindest keine!)
Also bauen wir alles ganz langsam auf.
Millie bekommt fast jeden Tag andere Spiele vorgestellt (Leckerli suchen, Tennisball jagen und bringen, Kontaktübungen mit Leckerli, etc.) und neue Leckerlis zubereitet. Wenn man bedenkt, dass sie die ersten Tage nicht mit mir spielen wollte, weil sie keine Ahnung hatte, was das ist und wie das geht, sind wir schon ziemlich weit.
Und seit sie nach ca. 3 Wochen das erste Mal bei uns im Schlafzimmer schlafen durfte, verwüstet sie nachts auch das Wohnzimmer nicht mehr!
Ja, die Decken und Pölster, die da am Boden liegen, gehören eigentlich AUF die Couch. Solange sie alleine im Wohnzimmer geschlafen hat, sah es dort jeden Morgen so aus.
Mittlerweile schläft sie bei uns die Nacht durch und ist ganz entspannt. Auch ihre Bindung zu uns hat sich dadurch immens verbessert.
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